Berlin polarisiert, wird gleichermaßen geliebt und gehasst. Fotograf und Skateboarder Dennis Scholz widmet seiner Heimat eine Ausstellung. „Perfect Hell“ visualisiert das, was Berlin für ihn ist: Lebendig, voller Gegensätze – eine perfekte Hölle eben. Darum kommen die Fotos im Doppelpack – Zwei Widersprüche nebeneinander, die trotzdem harmonieren. Im Interview erzählt er, warum er sich nicht vor KI fürchtet (und was ein imaginärer Pizzaladen an der Algarve damit zu tun hat) und warum alle Fotos der Ausstellung analog fotografiert sind.
FACES: Erinnerst du dich an den Moment, in dem du das erste Mal eine Kamera in den Händen hattest?
Dennis Scholz: Absolut! Das Ganze war relativ gezielt, nachdem ich so mit 15 oder 16 immer mal wieder Skateboard-Magazine in die Hände bekommen habe und unbedingt auch solche Bilder machen wollte. Daraufhin musste die Digicam meiner Eltern dran glauben, dazu wurden im Physikunterricht ein paar seltsam gekrümmte Linsen geklaut, in der Hoffnung, dass sie vor das Objektiv geklebt irgendwie als Fisheye funktionieren. Hat geklappt!
F: Wie beschreibst du deine Ausstellung „Perfect Hell“ jemandem in weniger als drei Sätzen?
DS: „Perfect Hell“ ist eine Interpretation all der Gegensätze, die meine Heimatstadt Berlin einem so um die Ohren schmettert. Die Ausstellung besteht ausschließlich aus Bildpaaren, die (vorrangig menschliche) Widersprüche zeigen, welche aber trotz absoluter Kontraste harmonisch nebeneinander funktionieren – so wie das Leben hier.
F: Was macht Berlin zur „perfekten Hölle“?
DS: Die Menschen. Man sieht in der Ausstellung vorrangig besondere Charaktere, die auf ihre Weise das Beste aus der Stadt machen. Jede(r) hat ihre/seinen persönlichen Hustle; eine Person verkleidet sich im 10’000€-Pelzmantel, weil sie kann und Bock drauf hat, der nächste Typ muss im Mickey-Mouse Kostüm über den Alex laufen, um ein paar Euro fürs Abendessen zu verdienen. Beides Verkleidung, aber ein ganz unterschiedlicher Ansatz.
F: Wie lange hast du Fotos gesammelt, bis du bereit warst, deine eigene Ausstellung zu machen?
DS: Das Projekt ist zwischen August und Oktober entstanden, ziemlich genau 2 Monate. Tatsächlich geht der Release Hand in Hand mit einer Collab zwischen HUF und Kodak, die das Projekt unterstützen, weshalb auch ausschließlich auf Film geschossen wurde.
F: Ist die Ausstellung eher für die Berlin-Lovers oder die Berlin-Haters oder für beide?
DS: Die Ausstellung ist der beste Anlass für beide, sich bei einem Kaltgetränk in den Armen zu liegen.
„Klare Hierarchie: Idee-Auge-Equipment.“
F: Zieht es dich manchmal wieder zurück aufs Skateboard? Oder hast du lieber andere SkateboarderInnen vor der Linse?
DS: Da hat es mich noch nie wirklich runter gezogen. Skateboarding war der Türöffner vieler Freundschaften, hat mir das Reisen beigebracht und eben auch dafür gesorgt, dass ich eine Kamera in die Hand genommen habe. Dementsprechend ist es schon immer wesentlich mehr als nur ein Hobby und ich skate zum Glück nach wie vor so viel wie möglich. Vor der Linse habe ich SkateboarderInnen ebenso gerne. Es ist einfach einer der ästhetischsten Bewegungsabläufe, die es gibt. Skateboardfotografie hat mir die eine oder andere Lektion gelehrt und einen großen Teil zu meinem Stil beigetragen, der sich in fast alle Sportarten, Jobs und Projekte übersetzt.
F: Welche anderen FotografInnen inspirieren dich?
DS: Ich schaue gar nicht so super viel nach links und rechts. Cameron Strand ist einer der wenigen, dessen Arbeit mich mit jeder Veröffentlichung wieder umhaut, weil einfach immer etwas neu, anders und aufregend ist. Er ist auch ein Kandidat, der aus der Skate-Richtung kommt und seinen Stil seit einiger Zeit in der kommerziellen Welt durchblitzen lässt. Mein guter Freund Luca Vincenzo ist außerdem der Chef auf Mittelformat.
F: Welches Fotografie-Genre magst du am liebsten und warum?
DS: Ehrlicherweise haben Genres für mich noch nie wirklich eine große Rolle gespielt. Gefühlt verschmilzt alles immer mehr – Werbung ist vom Look heute nicht unbedingt direkt super kommerziell, Sport und Fashion gehen Hand in Hand, und so weiter. Ich komme zum Beispiel gerade von einem Running Shoot in Chile und die wichtigsten Shots waren gar nicht unbedingt Close-up-Action, sondern viel mehr die artsy Momente dazwischen. Da wird’s dann spannend.
F: Welche Emotionen sollen deine Fotografien auslösen?
DS: Zählt Inspiration als Emotion? Das Schönste, was ich in dem Zusammenhang mal erlebt habe, war, als jemand auf mich zukam und meinte, dass er wegen mir angefangen hat zu fotografieren. Das war schon ein heftiger Moment. Wiedererkennung finde ich wiederum auch stark – wenn klar ist, von wem das Bild ist, ohne Credits gesehen zu haben. Da sind wir wieder so ein bisschen beim Thema Stil und vielleicht auch künstlerischer Anspruch. Beides Sachen, die ich greifbarer finde, als reine Emotionen.
F: Welche ist die Kamera deiner Wahl?
DS: Irgendwas zwischen iPhone und Mittelformat.
F: Gutes Equipment oder ein gutes Auge – was zählt mehr?
DS: Klare Hierarchie: Idee-Auge-Equipment. Klar wird ein gutes Setup immer zu qualitativ hochwertigeren Ergebnissen führen, aber in Zeiten, wo wir Bilder auf schlechtes Papier drucken, um sie wieder zu scannen, kann man mit Schrott-Equipment schon Gold produzieren. Wunderbar.
„Klar, KI wird einfacher und zugänglicher werden, aber wenn’s soweit ist, mach ich halt einen Pizzaladen an der Algarve auf.“
F: Welche Gefühle hegst du gegenüber KI in der Fotografie? Angst, Hoffnung, Ärger…?
DS: Die Welt dreht sich weiter – wenn eines Tages jede Kampagne KI ist, dann ist das zwar schade, aber dann wird es vielleicht auch einfach Zeit, (zumindest beruflich) was Neues zu machen. Generell mache ich mir da aber erstmal nicht zu viele Sorgen. Aktuell ist das alles ja noch riesig viel Aufwand und ich hab schon vom einen oder anderen ach so aufwändig geprompteten Projekt gehört, bei dem ich mir dachte, dass eine 2-tägige Fotoproduktion wesentlich einfacher und schöner zu realisieren gewesen wäre. Ich glaube, die Kunst hinter dem Fotografieren wird so schnell nicht aussterben, außerdem ist zwischenmenschliche Interaktion eine Magie, die schwer zu imitieren ist. Klar, KI wird einfacher und zugänglicher werden, aber wenn’s soweit ist, mach ich halt einen Pizzaladen an der Algarve auf.
F: Sind Instagram & Co. ein geeignetes Zuhause für die Fotografie? Oder eher zermürbend für Kreativschaffende?
DS: Ganz klar ein zweischneidiges Schwert. Enorm hilfreich, wenn richtig eingesetzt, allerdings schafft es kaum jemand, Instagram ausschließlich produktiv zu nutzen. Die App soll süchtig machen, das macht sie gut. Ich bin dafür aber auch nicht der beste Kandidat, ich versuche das Ganze eher wie ein Portfolio zu behandeln und ansonsten möglichst viel Zeit draußen zu verbringen.
F: Wie entfliehst du einer kreativen Blockade?
DS: Habe ich kaum, oder scheinbar zu den richtigen Zeitpunkten. Reisen, Sport, Freunde, gutes Essen, guter Wein!
F: Wo siehst du dich als Fotograf in der Zukunft?
DS: Im Sommer in Berlin, nah bei Familie und Freunden, im Winter da, wo die Sonne scheint. Weiterhin spannende Projekte mit guten Leuten und viel Arbeit mit Freunden. Kann also alles so bleiben, wie es ist!
F: Ein paar kurze Fragen zum Schluss… Digital oder analog?
DS: Wenn’s nicht oft so schnell gehen müsste, viel mehr analog. Film wird immer spannender bleiben. Ein Projekt wie „Perfect Hell“ wäre digital nicht dasselbe.
F: Farbe oder Schwarz-Weiß?
DS: Beides ausgewogen.
F: Draußen oder im Studio?
DS: Draußen, wobei mir das Studio in letzter Zeit auch Spaß macht. Man ist limitierter und es ist schwieriger, etwas besonderes zu machen – immer spannend.
F: Instagram-Feed oder Fotobuch?
DS: Fotobuch im Insta-Feed verscherbeln?
Los geht’s mit „Perfect Hell“ am Samstag, 14. Dezember um 19 Uhr, bei Safelight Berlin an der Schivelbeiner Str. 9
Wenn du es nicht nach Berlin in die perfekte Hölle schaffst, dann kannst du dir immerhin virtuell anschauen, was Dennis mit seiner Kamera so anstellt.
Fotos: © Dennis Scholz
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