Patrick Pierazzoli: Gummi Couture
Sex ist eine feine Sache, da sind wir uns hoffentlich alle einig. Schwanger werden wollen allerdings die wenigsten, und Geschlechtskrankheiten braucht niemand. Um Risiken und Nebenwirkungen beim Intimverkehr zu minimieren, leistet das Kondom seit 1870 wertvolle Dienste. Das erste von Charles Goodyear serienmässig hergestellte Gummi-Kondom war zwar noch zwei Millimeter dick und vernäht, aber es funktionierte für seine Zeit schon ziemlich gut. Ende des 19. Jahrhunderts dann brachte die Firma Maison A. Claverie unter dem Namen „Le Parisien“ das erste aufgerollte Kondom auf den Markt. 1912 erfand Julius Fromm eine Methode, um nahtlose Kondome herzustellen, und ab 1930 wurden diese aus Latex und in immer grösseren Massen produziert. Heute sind Kondome hightech. Es gibt sie in allen Formen, Grössen und Ausführungen, und neuerdings auch von Saint Laurent (auf ysl.com). Die Couture-Gummis können zwar nicht mehr als andere, dafür sehen sie besser aus in ihren Kleidchen mit Zebra-, Schachbrett- oder Polka-Dot-Print, und für zwei Euro pro Stück sind sie ein Schnäppchen für ein echtes Saint-Laurent-Outfit.
Marina Warth: The Grinch
Seit das Thermometer unter zwanzig Grad gesunken ist, stauen sich die Weihnachtsmailings in meinem Posteingang. Das nennt sich wohl berufliches Schicksal, sich im Oktober mit Geschenktipps versorgen lassen zu müssen. Ich hasse das. Ja, Hass ist ein starkes Wort, aber ich stehe wirklich nicht auf den ganzen Glitzerkram im Herbst, auf Jingles und Filme und Lebkuchen im Regal, wenn da doch eigentlich noch Kürbisse stehen sollten. Gönnen Sie mir eine lange Übergangszeit, Spaziergänge im goldenen Wald, Edelkastanien in der Rascheltüte und Rotkraut auf dem Teller. Wham! und „Home Alone“ kommen früh genug, vom Schnee ganz zu schweigen. Das einzige, womit Sie selbst einen Weihnachtsstänkerer wie mich zum seligen Lächeln bringen, sehen Sie auf dieser Seite. Zimtschnecken, diese Wunderdinger aus Hefeteig, Butter und dieser Mischung aus Zimt und Zucker, die frisch aus dem Ofen und direkt vom Blech am allerbesten schmecken. Sowas kennt bei mir keine Saisonalität, nur bedingungslose Liebe.
Marco Rüegg: Spin me round
Die Luft ist so dick, dass sie zähflüssig durch die Nüstern kriecht, geschwängert vom Qualm der Zigarren, den Ausdünstungen schwitzender Körper, dem in der Hitze des Gefechts verdunsteten Bierschaum. Ende November 1978. Rund um die Uhr sprudeln die Zapfhähne im Zürcher Hallenstadion, rund um die altehrwürdige Halle rasen die Rennräder auf der Holzbahn, 148 Stunden am Stück. Am traditionellen Sechstagerennen (das seit 2014 Geschichte ist) strampeln die Cracks um Punkte, Prämien, die Küsschen der Ehrendamen. Die Graphic Novel „Die Nacht, in der ich Eddy Merckx bezwang“ des Zeichners Marc Locatelli (Edition Moderne, 24.–) begleitet den fiktiven Amateur Loki, wie er für eine kleine Sensation sorgt. Ein von spitzer Feder geführter Trip in eine radsportromantische Ära, lange vor Dopingskandalen und Elektromotoren.