Wo passiert Kunst? Beim Auslösen der Kamera, beim Entwickeln des Fotos oder beim Hängen eben jenes an die Wand? Eigentlich schnuppe. Was zählt, ist der Moment, in dem wir auf diese Werke blicken und verzückt nach Luft schnappen. Das hier ist bloß ein Vorgeschmack auf die sechs Tage Fotografie-Kunst, die dich im Juni an der photo basel erwarten.
Michal Chelbin, Pierre Cardin Men Archive, 2017
Wer die ganz Großen in seinem CV trägt, der könnte die Nase ganz hoch tragen. The New Yorker, GQ, The Financial Times oder The Guardian tragen Michal Chelbins Werke in die Welt hinaus, im SF Moma, The Metropolitan Museum New York oder zuhause bei Sir Elton John hängen die Fotografien der israelischen Fotografin an der Wand. Weshalb? Einfach mal hingucken.
Marleen Sleeuwit, Interior no. 68, 2022
Sie hat ihn einfach, diesen Blick für das scheinbar Banale, über das andere Augen achtlos hinwegsehen. Kein Wunder, ist Marleen Sleeuwit Künstlerin geworden. Ihre Installationen sind ein Sammelsurium von Decken, Teppichen, Leuchtstoffröhren und Glaswolle, wobei sie das Spiel mit den Perspektiven beherrscht wie keine andere und damit die Grenzen zwischen Fotografie und optischer Täuschung immer stärker verschwinden lässt.
Gideon Lewin, Avedon, Inspecting, Baja, 1974
Die Vogue wollte 1974 braune Körper und knackige Hintern. Richard Avedon sollte fotografieren, Rene Russo modeln. Russo wurde zwecks Bräunung bereits eine Woche vor dem Shooting nach Baja geschickt – doch die Sonne half nicht, also musste Avedons Maskenbildner mit dunklem Make-up ordentlich nachhelfen. Fotografiert hat die Szene allerdings nicht Avedon, sondern dessen Studioleiter Gideon Lewin.
Fatoumata Diabaté, L’Homme en Objet, Bala Na Djolo, 2013
Frauen leben genügend oft im Schatten. Ein Grund, weshalb Fatoumata Diabaté ihr eigenes Geschlecht in den Fokus rückt, wenn sie die Kamera ausgepackt. Was darüber hinaus den Alltag in ihrer Heimat Mali ausmacht, gehört ebenfalls vor die Linse. In diesem Werk dreht sich alles um die Erzählungen ihrer Kindheit, die am Holzfeuer für große Augen sorgten.
Arnold Odermatt, (Archiv-Nr. # 2823), Buochs, 1965
Manchmal schlummert Talent dort, wo man es nicht vermutet. Die Hände von Odermatt kneteten erst Teig und später die Gemüter von erkehrssünderInnen, bevor sie sich an der Kamera zu schaffen machten. Odermatt fotografiert im Dienst genauso wie zivil – und verleiht dem Alltag seiner Arbeit bei der Nidwaldner Polizei mit seinen Dokumentationen eine Eleganz, die man ihr nicht zugetraut hätte.
Gabriel Dia, Burning, 2020
Gabriel Dia weiß darum, sich auszudrücken. Sei es in Worten, seiner Schrift oder mittels seiner Fotografien, die ihm zahlreiche Preise und noch mehr Applaus einbrachten. Die ewigen Fragen von Geschlecht und Identität beschäftigen den in Frankreich lebenden Senegalesen bereits sein ganzes Leben lang – Zeit, diese an uns weiterzureichen.
Patrick Fuchs, Isolator rot, Nr.05, 2020
Wer im Toggenburg aufwächst, für den ist der elektrische Weidezaun die erste richtige Mutprobe. Für Patrick Fuchs wurde die Kindheitserinnerung
zur Inspirationsquelle. Doch nicht den Draht rückt der Fotograf in den Fokus, sondern dessen Isolatoren, deren 30 er bereits so sorgfältig inszeniert und abgelichtet hat, dass aus Stahl und Plastik tatsächlich sowas wird wie eine Kostbarkeit.
Christoph Sillem, Place Vendôme 1, 2020
Wenn aus realen Plätzen Theaterbühnen werden, ist die Chance groß, einer Fotografie von Christoph Sillem gegenüber zu stehen. Für seine Daguerre-Reihe hat sich der Deutsche auf Schatzsuche durch die Stadt an der Seine begeben und Kulissen gefunden, die normalerweise nicht mehr sind als öder Alltag.
Ellen Kooi, Coruna – bloemen, 2019
Die niederländische Fotografin Ellen Kooi beschäftigt sich in ihrer Fotografie mit der Konfrontation von Menschen und Natur. Was nach spontaner Knipserei aussieht, ist von langer Hand geplant, kombiniert Kooi doch natürliches mit künstlichem Licht, macht sich viele Gedanken zur Perspektive und hebt damit das traditionelle Genre der Landschaftsfotografie auf ein neues Level.
Kacper Kowalski, OVER#34, 2016
Eigentlich hätte Kacper Kowalski ja in die Fußstapfen seiner Eltern treten sollen. Doch Architektur war so gar nicht sein Ding, lieber entfloh er seinen Gedanken und schwirrte mit dem Paraglider durch die Luft. Die Fotografie war erst nur eine Ausrede dafür, immer und immer wieder in die Lüfte zu gehen. Dann kam der Unfall, alles war anders, doch eines blieb: die Kamera.
Marianne Bjørnmyr, Between a Rock and Hard place IIX, 2019
Es ist in Ordnung, dass man Marianne Bjørnmyrs Werke nicht direkt versteht, ist es doch das Ziel der Norwegerin, mit ihrer Arbeit Zweifel zu streuen. Dass Norwegen 1951 Niobium in die USA exportierte, das während des Kalten Krieges zum Einsatz kam, lieferte den Hintergrund für diese Fotografie, die so viel mehr darstellt, als man beim ersten Betrachten annehmen könnte.
Maurizio Sapia, The Human Brain, EXP_1256.RAW, 2021
Man braucht im Leben stets einen Plan B. Nach seiner Karriere auf dem Rad setzte Maurizio Sapia alles auf die Fotografie. Diese lernte er von der Pieke auf, gründete 2001 mit h2o sein eigenes Studio und beschäftigt sich heute mit der Vermählung von Fotografie und Malerei. Für seine aktuelle Arbeit lässt er sich vom menschlichen Gehirn inspirieren und versucht, Gedanken, Ideen und Träume festzuhalten.
Thomas Hoepkers, Tänzer beim Ketjak-Tanz, Ubud, Bali, Indonesien, 1965
Thomas Hoepkers ist einer der ganz Großen: der erste Deutsche bei der Agentur Magnum, dort sogar Präsident, ist Hoepkers für Aufnahmen bekannt, die um die Welt gingen. An der photo basel 2023 zeigt er noch unveröffentlichte Werke – wie etwa jenes Schwarz-Weiß-Schmankerl aus Bali, das das balinesische Tanzdrama festhält, bei dem bis zu 100 mit Lendenschurz bekleidete Tänzer ihr Bestes geben.
Shen Wei, Shorts, 2020
Der chinesisch-amerikanische Fotograf Shen Wei beschäftigt sich in seiner Serie „I Miss You Already“ mit den Freiheiten und Grenzen seines eigenen Ichs und reflektiert sich dabei als Künstler. Da kochen ordentlich Emotionen – nicht nur während des kreativen Prozesses, sondern auch beim Betrachten des fertigen Werks.
Christopher Thomas, Bittersweet, 2001
Es ist ein wahrer Gefühlscocktail, den Christopher Thomas uns da serviert. Trauer trifft auf Glück, Melancholie auf Verzückung. Bereits seit 20 Jahren widmet sich der deutsche Fotograf diesem Thema, das er weiterziehen wird, bis er es nicht mehr kann. Die Werke entstehen an den verschiedensten Orten auf der ganzen Welt, wobei es nicht die Geografie ist, die die BetrachterIn um Atem schnappen lässt, sondern die Dramaturgie.
photo basel international art fair
Mitte Juni blickt die Welt nach Basel. Das hat die Stadt am Rhein nicht nur der Art Basel zu verdanken, sondern auch der photo basel international art fair. Während sechs Tagen zeigen Galerien aus aller Welt Fotografien von KünstlerInnen, die zum Nachdenken anregen, zur Diskussion und zum Träumen.
photo basel, 13. bis 18. Juni 2023, Volkshaus Basel, Rebgasse 12–14, 4058 Basel, Schweiz, photo-basel.com
Lust auf den Inside View? Hier verrät der Fotograf Simon Lohmeyer seine besten Tipps für gelungene Fotografien.
Teaserfot & Fotos: photo basel international art fair