Ein Filmstar, der eigentlich einfach als Mechaniker arbeiten möchte, eine Schauspielerin auf der Überholspur und ein Milliardär mit guten Absichten: Unsere Heldinnen und Helden des Monats.
Ethel Cain
Sound & Fury
Amerikas Dämonen beten in den Kirchen, tanzen in den Nachtclubs, weinen alleine in ihren Betten. Und alle, alle leben und leiden sie in der Musik von Ethel Cain. Als hätte Lana Del Rey den Paten des Southern-Gothic-Genres William Faulkner als Songtexter engagiert, exerziert Ethel Cain in pechschwarzem Folk-Pop ihre eigene Biografie – als trans Frau aufgewachsen in einer streng religiösen Familie – und reiht dabei Meisterinnenwerk an Meisterinnenwerk. Bald steht das nächste an: Im Januar erscheint das zweite Album „Perverts“. Rohes neues Jahr!
Abou Sangaré
Seul Asylum
Er möchte kein Filmstar sein. Sondern einfach als Mechaniker arbeiten dürfen. Doch ersteres scheint für Abou Sangaré einfacher als zweiteres. Bei den Filmfestspielen von Cannes gewann er einen Preis als bester Darsteller für den Film „L’Histoire de Souleymane“. Die Geschichte von Souleymane ist auch jene von Abou: Wie die Hauptfigur schlägt sich der 23-Jährige derzeit als illegal eingewanderter Immigrant durch Frankreichs Arbeitswelt und Behördenbürokratie. Und trotz prestigeträchtiger Auszeichnung kämpft der Guineer weiter für sein Happy End.
Aitana Bonmati
Golden Girl
Wer Aitana Bonmati zu Hause besucht, setzt besser eine Sonnenbrille auf. Denn die Awards in ihrem Regal leuchten inzwischen heller als das Sommerwetter über Barcelona. Alles, was es im Fußball zu gewinnen gibt, hat die Katalanin abgeräumt. Oft mehr als einmal. Deshalb sammelt die Weltmeisterin jetzt außerhalb ihrer Disziplin Preise, beispielsweise den begehrten Laureus World Sports Award for Sportswoman of the Year – als erste Fußballerin überhaupt. Merke: Das Runde kommt ins Eckige. Und was auf dem Grünen passiert, wird bei Aitana zu Gold.
Marcelo Gutierrez
Paint and Glory
Wie Frank Sinatra einst zwischen zwei Gläsern Whiskey on the rocks croonte: Wer es in New York schafft, der schafft es überall. Doch wer will dann überhaupt noch woanders hin? Für seine Karriere als Make-up-Artist wählte Marcelo Gutierrez das toughste Pflaster. Und weil seine Kreationen die It-Crowd nicht nur verschönern, sondern zu Gesamtkunstwerken machen, wurde New York zum Königreich des Kolumbianers. Dessen Menschen widmet Marcelo jetzt den Fotoband „Nothing Precious“. Nicht nur für Fans von kolossaler Kosmetik ein absoluter Goldschatz.
Naiomi Glasses
Indigenius
Aus ihren Stoffmustern liest sich die stolze Tradition der Navajo Nation. Mit jedem Stück spinnt Naiomi Glasses die Geschichte ihrer AhnInnen weiter – und erreicht jetzt ein besonders aufregendes Kapitel. Die Textilkünstlerin in siebter Generation wurde von Ralph Lauren zur ersten Artist in Residence gekürt und lanciert eine Capsule Collection mit der Modemarke. Damit bringt die – übrigens auch verdammt gut Skateboard fahrende – Designerin die Diné-Ästhetik einem breiten Publikum hautnah und setzt warme Farbtupfer in der Wintergarderobe.
Vinod Khosla
Billion Dollar Battle
Coke gegen Pepsi, Tom gegen Jerry, Edison gegen Tesla – und Elon Musk gegen Vinod Khosla. Bei einigen Rivalitäten muss unser Popcornbecher tief sein, weil sie scheinbar nie enden. Der indisch-amerikanische Investor wurde mit Mikrochips zum Milliardär und profiliert sich als einer der schärfsten Kritiker von Donald Trumps neuem Plus 1 auf Gartenpartys. Als selbsterklärter Techno-Optimist fordert Vinod unter anderem ein bedingungsloses Grundeinkommen und legt seinen unternehmerischen Fokus auf den Umweltschutz. Wenn schon viel zu reich, dann so.
Mikey Madison
Pole Position
Spoileralarm für einen fünf Jahre alten Film: Am Ende von Quentin Tarantinos „Once Upon a Time… in Hollywood“ wird Mikey Madison von Leonardo DiCaprio spektakulär abgefackelt. Inzwischen ist es aber Hollywood, das Feuer und Flamme ist für die Schauspielerin. Mit ihrer Titelrolle im Film „Anora“ geht die Newcomerin als Favoritin in die kommende Filmpreissaison. Als Sexworkerin balanciert Mikey auf High Heels so lang wie Stricknadeln zwischen Drama und Komödie und schafft das nuancierte Porträt einer pretty woman in einer hässlichen Welt.
Rhuigi Villaseñor
Forza Fashionista
Der Fußballclub Como 1907 spielt nach 21 Jahren wieder in der ersten italienischen Liga. (Dass die Mannschaft bei Redaktionsschluss keines der letzten sieben Spiele gewonnen hat, schieben wir auf einen vorzeitigen Winterschlaf.) Um sich für den Aufstieg herauszuputzen, wurde Rhuigi Villaseñor zum Chief Brand Officer ernannt. Der Filipino ist Gründer der Streetwear-Marke Rhude und Ex-Creative-Director bei Bally. Jetzt will er aus Como 1907 einen internationalen Lifestyle Brand machen. Und das mit dem Tore schießen klappt dann auch, irgendwie.
Katja Lewina
Todesmut
Leben mit der Deadline. Das müssen nicht nur AutorInnen. Sondern wir alle. Doch am Ende geben wir kein Manuskript ab, dafür den Löffel. Und Gabel. Und Messer. Das ganze Besteck, einfach alles. Nach dem plötzlichen Tod ihres siebenjährigen Sohnes und einer Diagnose der Herzkrankheit ARCV musste sich Schriftstellerin Katja Lewina radikal mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen. Herausgekommen ist dabei das Buch „Was ist schon für immer“. Es zeigt auf: Je früher wir die eigene Endlichkeit akzeptieren, desto erfüllter wird der Weg dorthin.
Lucas Pinheiro Braathen
Cristo Renntor
Dank ihm ist Brasilien jetzt Skination. 2023 beendete Lucas Pinheiro Braathen auf dem Höhepunkt seine Karriere als bester Slalom-Rennfahrer der Welt. Desillusioniert vom norwegischen Skiverband zog sich der exzentrische Superstar aus dem Schnee zurück und schöpfte im Sand Brasiliens neue Energie. Das Heimatland seiner Mutter bot ihm eine Bühne als DJ und Model. Doch der Ruf des Berges war zu laut. Jetzt startet Lucas unter neuer Flagge und will Glamour und Rock’n’Roll zurück in den Skizirkus bringen – und natürlich erneut allen davonfahren.
Parshad Esmaeili
Funny Business
Zum Lachen geht Deutschland bekanntlich in den Keller. Was völlig okay ist, sofern das WLAN-Signal bis dorthin reicht. Dann kriegt man auch die Comedy von Parshad Esmaeili rein, die es kürzlich mit ihrem YouTube-Kanal auf über 100’000 AbonnentInnen schaffte. Die Deutsche ist auf Pointen aus, die einem danach etwas schlauer machen. Beispielsweise als Teil von Jan Böhmermanns „ZDF Magazin Royale“-Crew oder Rezos Anti-Fake-News-Aufklärungsprojekt „Fake Train“. Ob auf der Bühne, als Podcast oder Online-Clip, bei Parshad gilt: lustig, listig – läuft.
Du weißt es bereits: Die Heldinnen und Helden gehen uns nie aus.