Du brauchst ordentlich Eier, um dich ganz nah an diejenigen zu schmiegen, die ständig die Pistole im Anschlag tragen. Alberto Venzago hat dort fotografiert, wo das Herz der Yakuza am lautesten schlägt. Monatelang begleitete der Schweizer Fotograf die Mitglieder der japanischen Mafia und dokumentierte den Alltag jener, die ständig zwischen Licht und Schatten tänzeln.Das Ernst Leitz Museum widmet dem Fotografen-Guru mit „Alberto Venzago: Stylist der Wirklichkeit“ eine Retrospektive, die noch bis 14. Mai 2023 in Wetzlar zu sehen ist.
„Die Yakuzas nehmen auch auf Finanzmärkte und politische Korruption Einfluss – neben den ‚traditionellen‘ Mafia-Aktivitäten wie Prostitution, Menschen- und Drogenhandel, legale und illegale Inkasso-Geschäfte, illegales Glücksspiel, Pachinko oder Schutzgelderpressung, die beispielsweise bei vielen Restaurants verdeckt über den Wäschedienst der japanischen Erfrischungstücher, Oshibori genannt, abläuft. Sie verdienen Millionen bei illegalen Hundekämpfen und Pferderennen.“„Drei Yakuzas stehen auf einer Straßenkreuzung in Ikebukuro, einem seelenlosen Viertel in Tokyo. Sie warten auf vier schwarze 500er Mercedes mit dunklen Scheiben. Die Ojabuns, Top-Bosse, werden in der Zentrale erwartet. Die Kreuzung ist gesperrt, die Leibwächter lassen niemanden passieren. Sie stehen reglos, breitbeinig und rühren sich auch nicht, als die Wagen ihrer Bosse vorbeiflitzen.“„Banden-Boss Furushio sieht sich gerne in der Tradition der US-Gangster aus den amerikanischen Mobsterfilmen der 50er Jahre. Zur Zigarette gehört der Maßanzug und meistens die goldene Ray-Ban-Brille.“„Im gemeinsamen Urlaub hatte ich stets einen Bodyguard mit einer Knarre neben mir im Bett. Das beste Kompliment erhielt ich, wenn sie mich jeweils nach den Zeremonien fragten, wo ich gewesen sei. Sich unsichtbar zu machen und trotzdem ganz vorne mit dabei zu sein, das ist das Geheimnis. Und gegenseitiges Vertrauen. Die Yakuza wollten alles über mich und meine Familie und meine FreundInnen wissen. Oft war es mein Lachen, das brenzlige Situationen entschärft hat.“„Tausend Killer sitzen auf Tatami-Matten in einem geheimen Resort nördlich von Tokyo. Drei Tage lang erhalten sie moralische Belehrungen. Am Ende strömen Geishas in den Saal – für jeden von ihnen eine.“Selbstverstümmelung und zum Einsatz ihres Lebens. Als Gegenleistung verspricht er ihnen lebenslangen Schutz und Geborgenheit innerhalb der Bande.“„Der Name dieses Banden-Bosses ist Miata. Er posiert im edlen Tuch hinter seinem Schreibtisch im Büro des Syndikates in Ikebukuro, Tokyo.“„Der moderne Japaner verschlingt Yakuza-Filme, in denen japanische und amerikanische Legenden zusammen gewoben werden: der Verlierer, der zum Sieger wird durch Disziplin, Mut, Gehorsam und bedingungslose Treue. Auch Banden-Boss Masahiro Furushio stellt sich gerne als Robin Hood im Nadelstreifenanzug dar: der Wächter der Tugend und Rächer der Ärmsten.“
Alberto Venzago: Stylist der Wirklichkeit
Eigentlich hat der Zürcher Alberto Venzago ja Heilpädagogik und Klarinette studiert. Doch Mitte zwanzig hat er sich verliebt – in die Fotografie. Alles selbst gelernt und komplett von der Pieke hoch hat Venzago später vier Jahre lang für die Agentur Magnum fotografiert und seine Shots in Magazinen wie Life, Stern oder Geo publiziert. Werbung, Dokumentation, Kunst – Venzago schafft den Spagat und wird für sein Werk mehrfach ausgezeichnet. Im Iran dokumentiert er die islamische Revolution, im Regenwald dessen Abholzung, er beobachtet die Yakuza in Japan und Voodoo-Zeremonien in Benin. Stets griffbereit: seine Kamera. Das Ernst Leitz Museum widmet dem Fotografen-Guru mit „Alberto Venzago: Stylist der Wirklichkeit“ eine Retrospektive, die noch bis 14. Mai 2023 in Wetzlar zu sehen ist. venzago.com undernst-leitz-museum.com
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