Schlangen, Achtecke und italienisches Flair: Fabrizio Buonamassa, Executive Director of Product Design bei Bulgari, spricht mit FACES darüber, was die Uhren von Bulgari so einzigartig macht. Außerdem verrät der Italiener, was er an seinem Heimatland schätzt und vermisst, warum er seine Karriere eigentlich schon als Vierjähriger begann und was Zeit für ihn bedeutet.
FACES: Sie verdienen Ihr Geld mit Dingen, die sich um die Zeit drehen. Wie verändern sich dadurch Wahrnehmung, Definition und der Wert von Zeit für Sie?
Fabrizio Buonamassa: Schwierige Frage. Zeit ist das Wertvollste, das wir haben, weil wir sie nicht kaufen können. Wir müssen einen Weg finden, die Zeit auf möglichst intelligente Weise zu nutzen. Wenn es um Uhren geht, brauchen wir natürlich Zeit, um diese zu produzieren. Man braucht heute ja eigentlich keine Uhr mehr. Vielmehr ist es eine Entscheidung, eine Uhr zu tragen: weil man diese Art von Objekt liebt und seinen Geschmack und die Wertschätzung für schöne, handgefertigte Dinge zeigen will. Sonst hat man ja eine Menge Uhren um sich herum: auf dem Handy und dem Laptop. Auch beim kreativen Prozess spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Manchmal hat man Ideen, die zu früh oder zu spät kommen. Wir versuchen ständig, die Zeit zu managen, aber das ist nicht möglich. Heute haben wir andere Werkzeuge, um die Zeit zu messen, aber noch immer das gleiche Ziel, sie so gut wie möglich zu nutzen. Wir benutzen das Mechanische, um über etwas zu sprechen, das man am Ende weder anfassen noch sehen kann.
FACES: Zeit ist also der neue Luxus.
Fabrizio Buonamassa: Jetzt vielleicht noch mehr denn je, denn wir haben immer mehr Personal und mehr Dinge zu verwalten. Und wir haben in der heutigen Zeit zwar eine Menge elektronischer und digitaler Werkzeuge, aber am Schluss sind es die Dinge, die man nicht kaufen kann, wie etwa die Luft oder eben die Zeit, die wirklich Luxus sind.
The best of both worlds
FACES: Haben Sie als Italiener, der in Neapel geboren wurde, in Rom aufgewachsen ist und jetzt in der Schweiz in Neuchâtel lebt, das Gefühl, zwei Kulturen in sich zu tragen? Wie wirkt sich dies auf Ihr tägliches Leben aus?
Fabrizio Buonamassa: Es ist schwierig, zwei Länder und zwei verschiedene Kulturen zu managen. Auch in Italien haben wir viele Kulturen. Ich bin in Rom aufgewachsen, aber einen Teil meines Lebens habe ich in Turin und Mailand verbracht. Dann war ich wieder in Rom, und nun lebe ich seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz. Ich denke, dass auch Bulgari in dieser Hinsicht eine einzigartige Marke ist. Stellen wir zum Beispiel die Serpenti-Uhr her, ist das die perfekte Mischung der beiden Seelen, der beiden unterschiedlichen Arbeitsweisen der Schweiz und Italien. Der Körper und der Kopf der Schlange kommen aus Italien und das Uhrwerk aus der Schweiz. Die Ästhetik der Octo Finissimo und auch die Art, die Uhr zu tragen, symbolisiert die italienische Kultur, wobei auch hier das Uhrwerk aus der Schweiz stammt. Wir sagen also gerne, dass Bulgari in der Lage ist, das Know-how der Schweizer Uhrmacherkunst mit dem italienischen Stil, dem italienischen Design und dem italienischen Geschmack zu verschmelzen. Am Ende bin ich also auch heute noch Italiener, auch wenn ich mit meinen Kindern in der Schweiz lebe. Das Italienische bleibt für immer, es ist Teil unserer DNA.
FACES: Die italienische Kultur ist locker und charmant, und die ItalienerInnen genießen die Zeit in vollen Zügen. Als SchweizerIn muss man immer pünktlich sein und sich sehr auf die Arbeit konzentrieren. Stehen Sie zwischen diesen Gegensätzen?
Fabrizio Buonamassa: Nein, nicht unbedingt. Ich beschwere mich jeweils nur darüber, dass die Sommerferien schon Mitte August zu Ende sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich Kinder habe und man mit ihnen so viel Zeit verbringt. An so etwas wie den Schulferien merke ich dann, dass ich nicht mehr in Italien bin, wobei es auch am Leben in der Schweiz sehr viele positive Aspekte gibt. Alles ist sicher hier, und das Leben ist sehr einfach in der Schweiz.
FACES: Die Uhren werden in mehreren Bulgari-Fabriken in der Schweiz hergestellt. Das Uhrwerk stammt aus Les Sentiers, die Zifferblätter aus La Chaux-de-Fonds. Dann werden die Komponenten in Neuchâtel montiert, wo Sie auch zuhause sind. Wie schaffen Sie es, Ihre Zeit zwischen Arbeit, Familie und Freizeit aufzuteilen?
Fabrizio Buonamassa: In meiner Freizeit fahre ich gerne mit meinen Motorrädern durch die Schweizer Alpen. Dabei kann ich am allerbesten entspannen, denke ich sonst doch ständig über Produkte, Objekte, Schmuck, Uhren und Sonnenbrillen nach. Man weiß ja nie, wann eine Idee auftaucht. Ich habe meine Karriere eigentlich mit vier Jahren begonnen, denn da habe ich damit angefangen, Skizzen anzufertigen. Ich arbeite jetzt seit mehr als vierzig Jahren – das ist mein Leben. Stets versuchen wir, die Zeit zu managen, indem wir mechanische Geräte bauen, die die Zeit anzeigen. Wir sind aber nicht in der Lage, sie zu komprimieren oder zu verlängern. Das ist der Punkt.
Von der Skizze bis zur Uhr
FACES: Können Sie Ihren Arbeitsprozess beschreiben? Beginnen Sie immer mit einer bestimmten Vision oder gehen Sie viel strukturierter vor und zeichnen erst einmal ein Konzept?
Fabrizio Buonamassa: Beides. Manchmal haben wir Anfragen, und dann versuchen wir, dem Briefing zu folgen. Beispielsweise wenn wir ein Zifferblatt ändern müssen. Hochwertige Schmuckstücke wie die Serpenti Tubogas oder die Octo Finissimo entstehen jedoch aus einer Idee und einer einfachen Skizze. Der größte Teil meines Alltags besteht darin, Skizzen zu machen. Auch hier geht es um die Zeit: In etwa neunzig Prozent der Fälle wurde aus einer Intuition und einer Idee in den nächsten Jahren ein Produkt. Jetzt haben wir also schon einige Entwürfe für die Jahre 2025 bis 2027. Manchmal dauert eine solche Entwicklung allerdings bis zu fünf Jahre.
Für die Octo Finissimo und die Serpenti Tubogas sind wir keinem Trend gefolgt und haben uns auch an kein Briefing gehalten – wir hatten einfach eine Idee. Die interessantesten Dinge kommen oft auf diese Weise zustande. Wenn man einem Briefing folgen muss, ist der kreative Prozess anders, weil man beginnt, das Produkt im Kopf aufzubauen wie ein Puzzle. Ich bevorzuge den ersten Ansatz, denn die Idee ist das Emotionalste und Aufregendste, was man sich in einem kreativen Prozess vorstellen kann, und sofort danach beginne ich, Skizzen zu machen. Wenn man eine Kollektion aufbauen muss, ist das weniger aufregend, weil man viele Elemente zu beachten hat. Man muss in der Lage sein, diese Einschränkungen in Chancen zu verwandeln. Ich mag es lieber, wenn die Idee von alleine kommt, aber wir müssen beides können.
FACES: Welche Rolle spielen Ihre Gefühle bei der Kreation neuer Uhren?
Fabrizio Buonamassa: Ich arbeite gerade an einer verrückten Idee, und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Es ist ein Projekt für Ende 2025 oder 2026. Mit den Uhren ist es wie mit Stühlen: Der Markt ist voll von Stühlen. Eigentlich brauchen wir keine neuen mehr, aber die DesignerInnen entwerfen noch immer neue Stühle. Es gibt neue Technologien, Produktionsverfahren und Materialien. Also versuchen sie jedes Mal, damit dem Kunden etwas anderes zu sagen. So ist es auch bei uns. Wir stellen Uhren her, weil wir es lieben, mit mechanischen Komponenten zu spielen, und wir lieben die Art und Weise, wie wir die Marke jedes Mal durch verschiedene Produkte neu erfinden können.Nach zwanzig Jahren im Unternehmen habe ich gemerkt, dass wir neue Uhren nur als Vorwand für mich nutzen, um weitere Skizzen zu machen. (lacht)
Rückblick auf 20 Jahre Kreativität
FACES: 20 Jahre Bulgari! Und bald feiern Sie Ihr silbernes Jubiläum. Wie fühlen Sie sich dabei? Und welche Meilensteine waren rückblickend Ihre absoluten Highlights?
Fabrizio Buonamassa: Ich fühle mich alt, ganz ehrlich. Denn wenn ich mich jetzt so umschaue, dann kenne ich viele Leute gar nicht. Selbst in der Geschäftseinheit bin ich, soweit ich weiß, der Älteste. Und das ist auch gut so. Ich werde alt, und das war’s. Ich bin heute auch eher ein Mentor und werde oft gebeten, die Geschichte der Marke oder die Geschichte hinter einem Projekt zu erzählen, wenn Leute aus dem Unternehmen neue oder alte Produkte entdecken müssen. Das ist ein sehr interessanter Teil meiner Arbeit.
Ich erinnere mich noch an das erste Zifferblatt, ein orangefarbenes Kugelzifferblatt, das ich vor mehr als zwanzig Jahren entworfen habe. Und ich erinnere mich sogar noch an die erste Uhr, die ich allein entworfen habe. Ich habe großes Glück, denn ich habe viele Fehler gemacht. Und Fehler führen immer wieder zu interessanten Dingen.
Ein Meilenstein ist sicherlich die Serpenti Tubogas, denn sie hat die Wahrnehmung der Serpenti innerhalb des Unternehmens völlig verändert. Vor der Tubogas war Serpenti nur eine der drei Referenzen, drei SKU, Uhren mit hohem Schmuckwert. Es war eine sehr kleine Nische. Und nach der Serpenti Tubogas entdeckte die Marke die erstaunliche Kraft der Serpenti-Ästhetik, die heute die größte Franchise des Unternehmens ist. Und die zweite ist sicherlich die Octo Finissimo, weil sie die Wahrnehmung der Marke bei den KundInnen verändern konnte.
FACES: Ihr Presseteam hat die neue Kollektion als Ikone der Ikonen bezeichnet.Lässt sich ein solcher Superlativ noch toppen? Inwieweit war es möglich, die Kollektion neu zu interpretieren und gleichzeitig der Bulgari-Tradition treu zu bleiben?
Fabrizio Buonamassa: Das ist das Schwierigste an diesem Unternehmen und an meinem Job, denn wir sind voll von verschiedenen Wissenschaften. Im Laufe der Jahrzehnte haben wir dank der erstaunlichen Kreativität von Gianni Bulgari eine Menge verschiedener Dinge hergestellt. Wenn man sich vorstellt, dass unser Archiv so voll von verschiedenen Produkten ist, dann ist es nicht so einfach für mich, dieses erstaunliche Erbe zu verwalten. Aber für mich ist das Archiv einfach eine Gelegenheit, die Marke aus einem anderen Blickwinkel zu entdecken. Ich mag es also nicht, nach dem Copy-Paste-Prinzip vorzugehen. Ich ziehe es vor, mir einen umfassenden Überblick über die DNA der Marke zu verschaffen und einige Zeichen zeitgemäß neu zu interpretieren. Die Serpenti feierte vergangenes Jahr ihr 75. Bestehen, und noch heute finden wir jedes Mal eine neue Art, eine Serpenti-Uhr zu tragen. Und genau das ist der interessante Teil. Bulgari ist eine erstaunliche Marke – sehr reich an Wissenschaft, sehr reich an DNA. Für mich ist es wichtig, jedes Mal einen anderen Blickwinkel zu finden, denn wir lieben es, jedes Mal eine neue Geschichte zu erzählen.
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