Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Zalando Sustainability Award. ISO.POETISM BY TOBIAS BIRK NIELSEN hat schliesslich die Jury überzeugt und sich den ersten Platz gesichert. Wir sprechen mit dem Gewinner über seine Show in Kopenhagen, die Modebranche und was sich darin dringend ändern muss.
FACES: Was ist an der Copenhagen Fashion Week im Vergleich zu anderen so besonders?
Tobias Birk Nielsen: Kopenhagen ist unser Zuhause und unsere Kollektion hier zeigen zu können, ist deshalb etwas ganz Besonderes. Unsere Schauen fanden bereits im Berliner Berghain oder im Contemporary Art Centre in Vilnius statt, aber hier in Kopenhagen dabei sein zu dürfen und erst noch mit der Unterstützung von Zalando, ist unbeschreiblich. Zudem spielt Nachhaltigkeit an der Copenhagen Fashion Week eine ganz besondere Rolle; sie stellt sicher, dass die Standards nachhaltiger Mode eingehalten werden und hebt sich nicht zuletzt dadurch von anderen Modewochen ab. Das inspiriert, und wir sind enorm stolz, dabei sein zu dürfen.
F: Wie setzt du Nachhaltigkeit in deiner Kollektion um?
TBN: Ein nachhaltiger Ansatz ist für unsere Arbeit eine Selbstverständlichkeit. Meine Verbindung zur Natur ist sehr gross, und ich finde, dass man sie wie einen guten Freund behandeln sollte. Wir sollten uns überlegen, wie wir selber behandelt werden wollen und dies dann auf die Natur übertragen. Wir experimentieren mit immer neuen Techniken und lernen daraus, wie man Mode und Umweltbewusstsein zusammenbringt. In Sachen nachhaltige Stoffe gibt es einen enormen Nachholbedarf, aber es ist toll zu sehen, wie hier Saison für Saison grössere Schritte möglich sind. Wir produzieren den grössten Teil unserer Kollektion in Italien und verfolgen die Wertschöpfungskette sehr genau, um sicherzustellen, dass alles und jeder ethisch korrekt behandelt wird. Wir verwenden zudem recyceltes Polyester und nutzen unsere Stoffe aus dem Lagerbestand, um Materialverschwendung vorzubeugen. Zusätzlich zu den verschiedenen Techniken versuchen wir auch, den Färbeprozess Stück für Stück zu verbessern. Das schaffen wir beispielsweise, indem wir nur kaltes Wasser fürs Färben verwenden und dadurch mit derselben Menge Farbstoff mehr Kleidungsstücke färben können. Das verringert die Emissionen um die Hälfte. Auch die Farbstoffe, die wir nutzen, sind ausschliesslich natürlich.
F: Der Zalando Sustainability Award ist ein Schritt dahin, die Modeindustrie nachhaltiger zu machen. Was muss geschehen, damit noch mehr Modelabels den nachhaltigen Weg einschlagen?
TBN: Einerseits müssen die Konsumenten sowie die Labels besser aufgeklärt werden. Andererseits geht’s auch um Innovation und das Angebot. Trotz des wachsenden Nachhaltigkeitsbewusstseins der Konsumenten hat sich die Einstellung zum Preis noch nicht wirklich geändert. Die Mehrheit der Verbraucher ist immer noch nicht bereit, die Konsequenzen in Sachen Preis in Kauf zu nehmen, was es wiederum für die Modelabels erschwert, mit nachhaltigen Stoffen zu arbeiten, denn die sind automatisch teurer. Manchmal muss ich einen innovativen Stoff für eine Kollektion ablehnen, einfach weil er den Preis des endgültigen Kleidungsstücks auf ein Niveau erhöhen würde, auf dem wir uns nicht positionieren können. Ich denke, es ist sehr wichtig, Nachhaltigkeit tatsächlich erschwinglich zu machen. Das ist eine Herausforderung, besonders für kleinere Labels. Aufklärung und Information über Nachhaltigkeit sind ebenfalls sehr wichtig, da dieses Feld für viele Modeunternehmen noch sehr neu ist. Natürlich sind solche Dinge wie der Zalando Sustainability Award ein grosser Ansporn, Zeit und Geld in die Verbesserung unserer Branche zu investieren.
F: Was ist die grösste Herausforderung bei der Umstellung auf eine nachhaltige Produktion?
TBN: Nachhaltig zu sein, kostet leider ziemlich viel. Nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch zeitlich. Es braucht viel Wissen und Zeit, um die erforderlichen Veränderungen in der Produktion und in der gesamten Liefer- und Wertschöpfungskette zu bewerkstelligen. Für ein kleines Label und kleine Unternehmen kann das tatsächlich sehr schwierig sein, vor allem, wenn viele Hersteller und Zulieferer grosse Mindestbestellmengen verlangen, was den Zweck zunichte machen kann, etwas aus nachhaltigen Materialien zu produzieren. Zu Beginn kann einen die Problematik überwältigen, aber Dranbleiben lohnt sich. Man muss die passenden Partner und Mitarbeiter finden, dann ist alles möglich.
F: Was ist deine Inspiration für die aktuelle Kollektion?
TBN: Unsere aktuelle Kollektion AW22′ THE ECHOES WHICH WE REMAIN (11)* wurde von einem Vulkanausbruch und dessen verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt inspiriert. Was das mit einem Land macht, ist unbeschreiblich. Auf die grosse Katastrophe folgt dann allerdings ein Wunder: fruchtbarer Boden, gefüllt mit Nährstoffen, die dann ein Zuhause für neue Pflanzen und Blumen darstellen. Das Leben nimmt wieder Fahrt auf, Hoffnung keimt, und eine neue Generation entsteht. Die Materialien, Drucke und Zitate der Kollektion spiegeln das Thema sehr stark wider.
F: Wie stellst du dir die Modeindustrie in zehn Jahren vor?
TBN: Das ist eine schwierige Frage, denn die Mode verändert sich ständig. Ich hoffe allerdings, dass unsere Branche in zehn Jahren nicht mehr eine der umweltschädlichsten ist und Nachhaltigkeit ein zentraler Wert sein wird. Ich freue mich auf viele Innovationen und Verbesserungen innerhalb unseres Konsumverhaltens sowie auf Kreativität im Sinne der Umweltverantwortung.
F: Was ist derzeit das grösste Problem für unabhängige Modelabels?
TBN: Covid-19 hat leider bei vielen Unternehmen seinen Tribut gefordert. Besonders kleine, unabhängige Design-Studios kriegen die Folgen der über mehrere Monate geschlossenen Geschäfte und eingeschränkten Arbeitskräfte zu spüren. Wir freuen uns sehr darauf, diese schwierige Phase hoffentlich bald hinter uns zu lassen und unsere Kunden wieder persönlich zu treffen, anstatt nur über Bildschirme zu kommunizieren.
F: Was kann jeder einzelne tun, um die Branche nachhaltiger zu machen?
TBN: Sich darüber informieren, was ein ethisch nachhaltiges Produkt ist, und prinzipiell von Labels kaufen, die für diese Werte stehen. Nachhaltigkeit hat so viele Bedeutungen, und ich denke, es liegt an jedem selbst herauszufinden, was für ihn wertvoll ist. Ich verwende lieber den Begriff achtsam als nachhaltig, weil er besser zeigt, was wir hier und jetzt tun können. Natürlich ist jedes Label für seine eigene Kollektion verantwortlich, aber der Konsument ist genauso wichtig, da er die Nachfrage bestimmt und damit Standards und Grenzen setzt. Es ist wichtig, beim Kauf eines neuen Produkts die richtigen Fragen zu stellen und sich zu vergewissern, dass man mit der Art und Weise, wie dieses hergestellt wurde, einverstanden ist.
F: Du hast den Zalando Sustainability Award gewonnen. Wie profitieren unabhängige Marken wie deine von solchen Initiativen?
TBN: Ich kann es immer noch nicht ganz fassen, es war eine so lange Reise! Eine Initiative wie der Zalando Sustainability Award schafft für uns als kleines Label die Möglichkeit, unsere Botschaft lauter zu verkünden. Als Start-up kann es schwierig sein, ein grösseres Publikum zu erreichen, daher sind wir umso dankbarer für diesen Preis. Wir freuen uns sehr darauf, unsere Partnerschaft mit Zalando auszubauen und unsere Nachhaltigkeitsziele damit noch weiter voranzutreiben.