Wir sind auf der Suche. Doch wonach? Nach Liebe, schnellem Sex oder ungeteilter Aufmerksamkeit? FACES-Kolumnistin Sybille Statz sieht Dating jedenfalls eher als Achterbahnfahrt denn als gemütlichen Spaziergang, und während sie die Hochs und Tiefs des Tinder-Universums erkundet, hält sie für uns jederzeit den Griffel bereit.
Ganz anders der Kugelfisch
Kugelfische formen ein symmetrisch perfektes Mandala aus Sand, um paarungswillige Weibchen zu bezirzen. Und was tun wir hochentwickelten Wesen?
Genau. Wir swipen.
Nope.
Nope.
Hm… das könnte funktionieren, dachte ich, als mir der Kölner Marco, 33, angezeigt wurde.
Wie eine einwandfreie Klassenarbeit mit Sternchen versehen.
Hieß: Super-Like.
Hieß: Ich war im Vorteil.
Ich schrieb ihm auf seine semi-einfallslose Nachricht etwas Semi-einfallsreiches zurück, holte die Zustimmung meiner besten Freundin ein und verschickte großzügig im Bekanntenkreis Screenshots von Marcos Anzeigefoto, falls ich eine Nummer für die Spurensicherung werden sollte.
Am nächsten Tag trafen wir uns.
In Real Life – wie man das heutzutage nennt.
Mir gefiel, dass er tatsächlich 1,93 Meter groß war – ohne Absätze, ohne Man Bun, ohne das gutmütige Augenmaß einer Mutter, deren Sohn um jeden Preis Basketballspieler werden will.
Leider hatte es mit Marcos eindrucksvoller Statur sein Bewenden.
Das plakative Unternehmen auf seinem Profil outete sich als Fitnessstudio. Damit hatte ich nicht gerechnet, auch wenn seine Oberarme sich sehen lassen konnten. Bis dahin entschied ich, offen zu bleiben. Immerhin war ich selbst keine Atomphysikerin und wollte auch nicht wie meine Mutter klingen, die unseren Nachbarn, den Holzfachhandelbetreiber, stets als Holzfäller betitelt. Nein, Ignoranz sollte unser Date nicht befallen.
Egal, was du tust, tu es mit Leidenschaft stand mal auf einem Autoaufkleber, den ich auf dem Weg zu meinem Friseur begaffen durfte. Und Marco war leidenschaftlich. Ein leidenschaftlicher Lügner: zehn Jahre älter als von Tinder behauptet. Er erwähnte es mit derselben Beiläufigkeit, mit der er fragte, ob ich mein Eis in der Waffel oder doch lieber im Becher möchte. Ich wollte den Becher, und ich wollte Marco, 33. Nicht die knautschige Farce, die es zu unterhalten galt, bis wir unsere klebrigen Kalorienbomben vernichtet hatten.
Acht Youtube-Tutorials brauchte es, meine Augenlider in eine roségolden-verführerische Schattenlandschaft zu verwandeln für einen Mann, der mich reingelegt hatte.
Marco brachte mich nach Hause.
Er unterschlug seine letzten zehn Lebensjahre, ich den obligatorischen Abschiedskuss.
Dabei hatte ich zuvor Lügner geküsst. Und mich nicht daran gestört, wenn der Moment stimmte.
Warum also der Geiz?
Vielleicht fehlten die Funken. Vielleicht wollte ich mich nicht mit weniger zufriedengeben als der Kugelfisch.
Schreiben ist ihr Steckenpferd: Die Kölnerin Sybille Statz liebt große Romanzen genauso wie Horrorfilme, Katzen und Serien der 90er. Noch mehr von ihr gibt’s in ihren beiden Kurzromanen „Matches for Real – Das Dating-Desaster“ und „After Sunset – Korallenrot“ sowie hier zu lesen.
Was unsere Autorin Sybille Statz beim Dating so alles erlebt? Hier findest du die weitere Folgen zum Lesen, Staunen und Schmunzeln.
Text:Sybille Statz