Etwas mehr als ein halbes Jahr bin ich als Praktikantin bereits an Bord des FACES-Frachters. Dabei könnte ich schwören, es wäre erst gestern gewesen, dass ich hier für mein Bewerbungsgespräch aufgekreuzt bin. Also, wer hat an der Uhr gedreht?
Cool bleiben, denke ich mir, während ich zitternd die Klingel mit der Aufschrift „FACES“ drücke. Einige Augenblicke später sitze ich Marina gegenüber. Eingeschweißten LeserInnen muss ich diese Ikone nicht mehr vorstellen – für alle anderen: Marina ist die stellvertretende Chefredakteurin in diesem Laden und somit die Person, die es nun zu beeindrucken gilt.
In meinem Kopf beginnen die Gedanken, Tango zu tanzen: Schau ihr in die Augen, doch starr sie nicht an. Hat der Deo unter meinen Achseln überhaupt eine Chance gegen den ganzen Angstschweiß? Hoffentlich findet sie mein Outfit in Ordnung – unschwer zu erkennen: Das war das zweite Bewerbungsgespräch meines Lebens. Frisch aus dem Uni-Ofen wusste ich zwar alles Mögliche über Regressionsanalysen und wo es den besten Billig-Kaffee zu holen gibt – aber Arbeitswelt? Dank einiger Nebenjobs bin ich mit ihr in Kontakt gekommen, doch da berührt sich sogar ein Paar in einer schwülen Sommernacht mehr. Ich kann nicht anders, als mich wie bei „Der Teufel trägt Prada“ zu fühlen, während ich versuche, die fleischgewordene Miranda Priestly von mir zu überzeugen: Ich bin motiviert und kann guten Kaffee machen. Und da ich mich als Praktikantin bewerbe, sind hohe Lohnansprüche sowieso abgehakt. Tja, dass ein Praktikum bei FACES weit von meiner damaligen klischeebehafteten Vorstellung entfernt ist, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht. Und dass die liebe Marina, abgesehen von Stilgefühl, nichts mit Eiskönigin Miranda Priestly gemeinsam hat, wusste ich auch nicht. Irgendwas muss ich an diesem Tag jedenfalls richtig gemacht haben, denn nun haue ich als Praktikantin bereits seit etwas mehr als einem halben Jahr für FACES in die Tasten. Wie kann das sein? Ist mein Zeitgefühl total im Arsch, oder hat der Schiri die Halbzeit zu früh abgepfiffen? Tja, vermutlich ersteres. Schließlich geht so ein Arbeitstag im Hause FACES auch schnell vorbei.
Auf der Redaktion
Zugegeben, bisher war „Bürojob“ für mich stets ein Synonym für „Langeweile pur“: wie ein Zombie den ganzen Tag auf einen Bildschirm starren und spüren, wie der Körper langsam die Form einer Crevette annimmt – na toll. Doch auch wenn meine Körperhaltung langsam einem Croissant gleicht, eintönig ist meine Tätigkeit bei FACES definitiv nicht. Das Gute daran, bei einem Lifestyle-Magazin zu arbeiten, ist die Bandbreite an Aufgaben, die es zu erledigen gilt. Wenn ich also nicht gerade an einem Artikel schreibe, gibt es Newsletter zu machen, Bilder zu suchen, Trends zu recherchieren, Editorials umzusetzen. Ihr seht, mit acht Ausgaben im Jahr und einer Webseite, die es mit Inhalt zu füllen gilt, hört die Arbeit nie auf – oder wie wir bei uns so schön sagen: Nach dem Heft ist vor dem Heft. Wer nun also erwartet hat, dass ich als Praktikantin nur zwischen Kaffeemaschine und Müllcontainer hin und her pendle, der leidet an einer schweren Stereotypitis. Zugegeben, ja, ich mache Kaffee, doch der ist nur für mich. Und ja, als Praktikantin bin ich einmal pro Woche auch für die Entsorgung von Papier und Karton zuständig – aber unter uns: Ich freue mich auf die paar Minuten frische Luft, die mir einen klaren Kopf fürs spätere Texten liefern.
Aller Anfang ist schwer
Wenn ich so zurückdenke, kann ich mich noch gut an meinen ersten Artikel erinnern. Einen ganzen Tag lang saß ich daran. Und mindestens so lange, wie es gedauert hat, um ihn zu schreiben, dauerte es danach, bis ich mich getraut habe, das Endprodukt endlich Marina zu schicken. Entsprechend groß war dann der Schock, als mir mein Dokument voller Anmerkungen zurückgeliefert wurde – die PerfektionistInnen unter euch können an dieser Stelle mit mir mitfühlen. Nochmals neu schreiben, hieß es. Klingt hart, ja. Aber an einem Text rumzubasteln, der nicht funktioniert, ist, wie wenn man krampfhaft versucht, eine Beziehung hinzubiegen, die längst hinüber ist – lieber loslassen und einen Neuanfang wagen.
Gelernt habe ich daraus zweierlei: Erstens ist Schreiben kein linearer Prozess. Wenn es mit der Einleitung also nicht hinhaut, steigt man mal irgendwo ein und baut den Text darum herum auf. Und zweitens ist es ratsam, nicht aus jedem Artikel einen Pulitzer-Anwärter machen zu wollen – sonst hat man nämlich bald mehr unvollendete Werke als Franz Kafka. Das heißt nicht, dass man jegliche Ansprüche über Bord werfen sollte, versteht mich nicht falsch. Doch es bedeutet, dass es nicht schaden kann, seiner perfektionistischen Seite ab und an eine Chill Pill unterzumischen.
Rückblick
Natürlich habe ich in diesem Praktikum noch mehr dazugelernt. Beispielsweise, wie man einen Artikel über etwas schreibt, wovon man keine Ahnung hat. Oder wie man einen Gedankenstrich richtig benutzt. Doch leider werden mich Gedankenstriche in der großen weiten Welt nicht über Wasser halten. Gut, hat das Praktikum nicht nur meine Grammatik-Skills auf Vordermann gebracht, sondern mich auch in einem hohen Bogen aus meiner Komfortzone herauskatapultiert. So lief es mir vor einem Jahr noch kalt den Rücken runter, wenn ich auf mich allein gestellt an einen Anlass musste, an dem ich niemanden kannte – heute zucke ich da nach all diesen zahlreichen Events, denen ich in meiner Zeit hier bereits beiwohnen durfte, nicht mal mehr mit der Wimper. Tja, wer hätte gedacht, dass ein Praktikum in der Lifestyle-Branche sowas wie ein Bootcamp für Introvertierte ist? Ich weiß, Eigenlob stinkt. Haltet euch an dieser Stelle also besser mal die Nase zu: Ich bin ganz schön stolz darauf, wie ich mich in dieser Zeit hier gemacht habe. Natürlich muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass dies zu großen Teilen dem tollen FACES-Team zu verdanken ist, das mich tagtäglich unterstützt und fördert, mit Schokolade verpflegt und mit lustigen Geschichten versorgt. Und auch wenn meine Zeit hier noch nicht ganz vorbei ist, so werde ich schon jetzt etwas melancholisch, wenn ich daran denke, dass der FACES-Dampfer bald anlegt und es Zeit für mich wird, von Bord zu gehen.
Hier geht’s zum Trailer einer der besten Mode-Filme aller Zeiten.
Und wie es einer Vorgängerin von mir in ihrem Praktikum ergangen ist, erfährst du hier.
Foto: © Der Teufel trägt Prada