Wäre Brody Dalle ein Mann, sie hätte Bowlingkugeln in der Unterhose: Mit 13 hatte sie ihre erste Gitarre, mit 14 den ersten Rausch und kurz darauf einen Punkrocker als Ehemann. Im August kriegt sie ihr zweites Baby. Und wer jetzt „Jööh“ sagt, kriegt eins auf den Latz.
Haut wie Schnee, die Lippen rot wie Blut, das Haar wie Zedernholz – und Augenringe, als habe sie Sparring-Partner für Evander Holyfield gespielt. Brody Dalles Weg zum Rock’n’Roll-Schneewittchen ist eine Fabel, wie sie die Gebrüder Grimm nach zwei Flaschen Jack Daniels und einer anacondadicken Spur Edelkoks gedichtet hätten. Es fängt schon gut an: Melbourne sitzt der Neujahrskater noch fest im Genick, als Joanna Robinson am 1. Januar 1979 erstmals in die Welt hinausschreit. Das Schreien bleibt ihre Lieblingsbeschäftigung, doch vorerst zieht sie Bahnen im Schwimmbecken, ihr Trainer sieht Olympia-Potenzial. Bis Marihuana und Kurt Cobain in die Quere kommen. Seitdem hält das Energiebündel den heute von etlichen Nadeln verschönritzten Körper nicht mehr mit Chlorwasser feucht, sondern mit dem Schweiss, wie er aus den Poren einer Bühnensau tropft. Gewalt ist die neue Virtuosität, sie hobelt rohe Holzhacker-Akkorde herunter und brüllt und röchelt, als würde sie jede Silbe mit einer rostigen Gabel aus der Kehle kratzen.
Sweet sixteen ist sie, als sie in einem Festival backstage über die Doc Martens von Tim Armstrong stolpert – Gitarrist von Rancid, bis unter die Gürtellinie tätowiert und fast doppelt so alt. Die Punkgöre lässt die Vernunft daheim und brennt mit Armstrong nach Kalifornien durch. Bonnie und Clyde 2.0 heiraten an Brodys 18. Geburtstag, und kaum vom Hangover erholt hat die Braut eine Band formiert: The Distillers. Doch allmählich gerät das Punkrock-Roadmovie ins Schlittern, die Distillers zerbröseln wie Marmorkuchen ohne Butter, und 2003 ist Brody auch den Familiennamen Armstrong los. Sie ersetzt ihn durch den siebten seit Geburt, den der Schauspielerin Béatrice „Betty Blue“ Dalle. Diesen behält sie, als sie 2006 Josh Homme das heisere Jawort gibt, dem Fronthünen der Queens Of The Stone Age. Quasi direkt vom ersten Mutterschaftsurlaub stürzt Brody Dalle zurück in muffige Probekeller und verrauchte Konzertkeller. Bei den Shows von Spinnerette schwitzt das Publikum wie beim Sex in Bangkok – ohne Klimaanlage.
In Interviews sagt Brody Dalle, als Mutter lebe sie bewusster. In ihrem Fall heisst das: Sie hängt das Veganer-Dasein an den Fleischerhaken, hämmert mit leeren Bierflaschen auf Gitarren ein und ritzt Fans nach der Show lebenslange Souvenirs unter die Haut. Im August erwartet Brody Dalle ihr zweites Kind. Wenn nur eines davon nach der Mutter kommt – oh oh, Josh Homme…
Fotos: Picture-Alliance / Photoshot