Mit dem Kanu durch norwegische Fjorde oder auf dem Pferd durch Nepals Weiten? Tja, exotische Reisen müssen gerade warten. Ja, uns juckt es in den Fingern, den nächsten Flug zu buchen, Koffer und Rucksack zu packen und einen Haken hinter die Ziele auf unserer Bucket List zu setzen. Aber wir sind vernünftig, seien Sie es auch. Reisen Sie in der Schweiz, denn schließlich liegen vor der Schweizer Haustüre so viele Orte, die man niemals in dieses 8-Millionen-Land verorten würde. Artur Kilian Vogel hat sie alle in seinem Buch „Eine Weltreise durch die Schweiz“ gesammelt, die Plätze, an denen die Schweiz anderen Ländern Konkurrenz macht. Die Welt kann warten, wir entdecken dann mal die Schweiz.
Tessin = Capo Testa / Sardinien
Die Halbinsel Capo Testa ganz im Norden der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien ist eine wilde Gegend mit Granitfelsen, die zu teilweise bizarren Formen verwittert sind. Im Valle di Luna, wo früher viele Hippies lebten, hausen noch immer einige Aussteiger in Felsenhöhlen. Auf Capo Testa findet man eine Vielzahl kleiner Badebuchten, die allerdings alles andere als einsam sind: Hier tummeln sich im Sommer eine Vielzahl von Touristen. Vom Fluss zugeschliffene Felsformationen findet man auch im Maggia- und im Verzascatal. Natürlich gibt es hier keine Strände wie am Mittelmeer, hingegen im Maggiadelta riesige Sand-, Kies- und Steinbänke und weiter oben in beiden Tälern kleine Sandstrände am Fluss, Wasserfälle und türkisblaue Wasserbecken. Das Verzascatal ist auch für die römische Brücke Ponte dei Salti bekannt. Und von der Staumauer des Vogornosees stürzen sich wagemutige Bungee-Jumper in die Tiefe. Allerdings darf man in den Tessiner Tälern keine mediterranen Wassertemperaturen erwarten.
Wallis = Tibet / CHINA
Es fehlen die Yaks und auf den Hügeln rundum die buddhistischen Klöster – und natürlich die chinesischen Besatzer. Ansonsten hat der Pfynwald im Wallis mit der frei fließenden Rhone, den Bergen im Hintergrund mit den Dörfern an ihren Abhängen durchaus Ähnlichkeiten mit Tibet. Natürlich gelten hier andere Maßstäbe: Das Autonome Gebiet Tibet ist 1,2 Millionen Quadratkilometer groß – die Fläche von Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Der ganze Kanton Wallis bringt es nur auf gut 5’000 Quadratkilometer. Der zweite große Unterschied ist die Höhe: Das Walliser Rhonetal liegt auf gut 500, Lhasa, die Hauptstadt Tibets, auf 3’650 Metern. Und die Dufourspitze, höchster Punkt der Walliser Alpen, ist zwar stolze 4’634 Meter hoch, einige Berge im Hochland von Tibet jedoch über 7’000. Irgendwo haben solche Vergleiche halt ihre Grenzen. Immerhin ist man dank dem Lötschberg-Basistunnel sehr viel schneller im Wallis als im Tibet, wohin keine Direktflüge aus der Schweiz angeboten werden.
Reisen in der Schweiz: Wallis = Patagonien / Argentinien
Von den flachen Steppengebieten im Norden geht die argentinische Provinz Patagonien im Süden in eine Gebirgslandschaft über, und hier liegen auch die riesigen patagonischen Eisfelder,die zusammen fast halb so groß sind wie die Schweiz. Der berühmteste und touristisch am besten erschlossene Gletscher ist der Perito Moreno. Kaum weniger eindrücklich ist der Große Aletsch-gletscher an der Südflanke der Berner Alpen im Wallis, der sich von der Jungfrauregion auf viertausend Metern hinunterzieht bis in die Massaschlucht, die zweieinhalbtausend Meter tiefer gelegen ist. Auf dem Jungfraujoch und den Aussichtspunkten Moosfluh, Bettmerhorn und Eggishorn werden einem die Größe und Schönheit des Aletschgletschers eindrücklich vorgeführt. Ein Problem allerdings hat der Aletschgletscher, das der Perito Moreno nicht kennt: Er schmilzt und wird pro Jahr bis zu fünfzig Meter kürzer.
Waadt = Sevilla / Spanien
Die Kathedrale von Sevilla aus dem fünfzehnten Jahrhundert ist die größte gotische Kirche Spaniens. Neben dem maurischen Königspalast Alcázar und der Stier-kampfarena Plaza de Toro ist sie eines der Wahrzeichen der lebensfrohen Hauptstadt der südspanischen Region Andalusien, die auch als »Wiege des Flamencos« bekannt ist. Angeblich soll Christoph Kolumbus in der Kathedrale bestattet sein. Viel weniger berühmt, aber ebenso imposant ist die Kathedrale von Lausanne. Mit ihrem Bau wurde rund zweihundert Jahr früher als in Sevilla begonnen. Aber sie ist im selben Stil gehalten; sie gilt als eines der wichtigsten gotischen Bauwerke Europas mit maßgeblichem Einfluss auf die Entwicklung dieses Baustils. Zu dessen bekanntesten Vertretern gehören Notre-Dame de Paris, der Mailänder Dom, das Rathaus von Brüssel oder der Papstpalast in Avignon. Eines hat die Kathedrale von Sevilla jener von Lausanne voraus: Ihr Glockenturm, die Giralda, ist ein umgebautes ehemaliges Minarett.
Waadt = Schottisches Hochland / Grossbritannien
Um in der Vallée de Joux zu bleiben: Der Hügelzug des Dent de Vaulion über dem Lac de Joux, bis 1’482 Meter hoch, erinnert an das schottische Hochland: karge Hügellandschaft, Trockenmauern, Vegetation, die dem rauen Klima trotzt. Sogar eine Whisky-Brauerei gibt es im Tal: Die Distillerie du Risoux in Les Charbonnières wurde in den 1990er-Jahren vom Spenglermeister und freisinnigen Abgeordneten im Waadtländer Großen Rat Dominique Bonny gegründet. Hier wird unter anderem der Single Malt „Isle of Joux“ gebraut. Drei Unterschiede seien erwähnt: In der Vallée de Joux weiden kaum Schafe. Die Männer tragen keine Röcke. Dafür ist Schottland nicht für seine Uhren bekannt, während einige berühmte Uhrenmanufakturen in der Vallée de Joux ihren Hauptsitz haben: Jaeger-LeCoultre in Le Sentier zum Beispiel oder Audemars Piguet in Le Brassus.
Solothurn = Vilnius / LITAUEN
Sie preist sich als „schönste Barockstadt der Welt“ an: Vilnius, die Hauptstadt Litauens, hat nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1990 die lange vernachlässigte Altstadt größtenteils renoviert. Dort sind zahlreiche Kirchen und weitere Gebäude im Barockstil zu bewundern, aber auch Bauwerke aus der Gotik und der Renaissance. Verglichen mit Vilnius (knapp sechshunder-ttausend Einwohner), ist Solothurn (siebzehntausend Einwohner) winzig. Doch auch in dessen Altstadt, zum größten Teil zwischen 1500 und 1800 errichtet, sind diverse Architekturstile zu sehen, wobei der Barock vorherrscht. Die weiße Kathedrale Sankt Ursen mit ihrer grünen Kuppel, erbaut in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts und seit 1828 Sitz des katholischen Bischofs von Basel, dominiert das Stadtbild. Ihr Turm und die Fassade sind im spätbarocken Stil gehalten; der schlichtere Innenraum ist bereits klassizistisch. An warmen Abenden trifft sich am Ufer der Aare mit Terrassenrestaurants und Bars ein fröhliches Volk im Ausgang.
Uri = Fjord / Norwegen
Der Vierwaldstättersee, der sich von Flüelen im Kanton Uri bis in die Stadt Luzern erstreckt, wird mit seinen tief eingekerbten Seitenarmen gern mit norwegischen Fjorden verglichen. Der südlichste Arm – genannt Urnersee – ist besonders magisch. Die eleganten Vierwaldstättersee- Dampfer aus der Belle Époque sind natürlich nicht mit den robusten Postschiffen der Hurtigruten vergleichbar. Und im Packeis stecken zu bleiben, riskiert man in der Innerschweiz auch nicht, denn der Vierwaldstättersee gefriert nicht einmal im kältesten Winter. Aber den Eindruck, auf einen norwegischen Fjord hinunterzublicken, kann man trotzdem bekommen, zum Beispiel wenn man in der Abenddämmerung von der Rigi Hochflue in Richtung Flüelen schaut.
Graubünden = Indian Summer / Nordamerika
Der Indian Summer ist eine trockene, warme Periode im Spätherbst in
gewissen Gegenden Nordamerikas: von Neuengland über das Ohio- Tal, die Region der Großen Seen, den Mittleren Westen und den nördlichen Teil der Great Plains in den USA bis hinauf nach Kanada. Begleitet wird er von strahlend blauem Himmel und intensiver Färbung der Bäume. Doch um den Indian Summer zu erleben, ist kein Transatlantikflug nötig. Eine Bahnfahrt über Albula und Bernina reicht – und diese ist ganz für sich genommen schon ein erstrangiges touristisches Erlebnis. Im Puschlav oder Valposchiavo, dem südlichen, italienischsprachigen Bündner Tal, zum Beispiel am idyllischen Saoseo-See, ist der Spätherbst mindestens genauso schön. Und weil im Tal praktisch nur Bio-Landwirtschaft betrieben und zudem größter Wert auf traditionelle, lokale Speisen gelegt wird, ist hier die Chance, vorzügliches Essen vorgesetzt zu bekommen, bedeutend größer als in den USA.
Eine Weltreise durch die Schweiz
Der Indian Summer ist eine trockene, warme Periode im Spätherbst in gewissen Gegenden Nordamerikas: von Neuengland über das Ohio- Tal, die Region der Großen Seen, den Mittleren Westen und den nördlichen Teil der Great Plains in den USA bis hinauf nach Kanada. Begleitet wird er von strahlend blauem Himmel und intensiver Färbung der Bäume. Doch um den Indian Summer zu erleben, ist kein Transatlantikflug nötig. Eine Bahnfahrt über Albula und Bernina reicht – und diese ist ganz für sich genommen schon ein erstrangiges touristisches Erlebnis. Im Puschlav oder Valposchiavo, dem südlichen, italienischsprachigen Bündner Tal, zum Beispiel am idyllischen Saoseo-See, ist der Spätherbst mindestens genauso schön. Und weil im Tal praktisch nur Bio-Landwirtschaft betrieben und zudem größter Wert auf traditionelle, lokale Speisen gelegt wird, ist hier die Chance, vorzügliches Essen vorgesetzt zu bekommen, bedeutend größer als in den USA.
Artur Kilian Vogel, „Eine Weltreise durch die Schweiz“, Wörterseh Verlag, ca. 35.– FACES-Leserinnen und -Leser können das Buch unter Nennung des Codewortes ag20ws zum Spezialpreis von CHF 29.90 statt 34.90 (ink. Porto und Verpackung) bestellen. Über www.woerterseh.ch, per Mail an
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