Mit Amano erfindet Ariel Schiff von Berlin aus die Hotelbar neu. Wir haben ihn zum Interview gebeten.
Staubige Hotelbars, in denen leise Klaviermusik düdelt, haben ausgedient! In Berlin trifft man sich zum Absacker in einer der Szenebars von Amano, die ganz nebenbei auch als Wohnzimmer der angrenzenden Hotels fungieren. Ein genialer Schachzug, der Amano-Gründer Ariel Schiff viele Hotelgäste beschert – und die Möglichkeit, über Berlins Grenzen hinweg zu expandieren.
FACES: Wie hat sich Berlin verändert, seit Sie Ihr erstes Hotel hier eröffnet haben?
Ariel Schiff: Als wir unser erstes Hotel, das Hotel Amano in der Auguststraße, 2009 eröffnet haben, galt Mitte als neues Szeneviertel der Stadt. Daher passte unser Konzept perfekt in die Gegend: designbewusstes Reisen zum moderaten Preis. Zudem überraschten wir die Locals mit einem kreativen Barkonzept, fernab von der damals klassischen Hotelbar, die auch für BerlinerInnen zum Treffpunkt wurde. Heute hat sich nicht nur Mitte entwickelt, sondern ganz Berlin.
FACES: Was entgegnen Sie Menschen, die sich stets von Hotelketten fernhalten wollen?
Ariel Schiff: Für mich gibt es keinen Grund, sich von Hotelketten fernzuhalten – so lange die einzelnen Hotels eine eigene Seele haben und diese auch dem Gast vermitteln. Hotels brauchen unbedingt eine Persönlichkeit, damit sich der Gast in meinen Augen wohlfühlen kann. Selbst wenn man eine Hotelkette ist, darf man dem Gast nicht das Gefühl geben, eine Nummer zu sein.
FACES: Wofür steht Amano?
Ariel Schiff: Meine Vision war es immer, ein lebendiges Hotel zu schaffen. Ich wollte einen Ort kreieren, an dem TouristInnen und Locals aufeinandertreffen, denn erst durch den direkten Austausch ist es TouristInnen möglich, einen authentischen Eindruck zu bekommen und den Puls der Stadt zu fühlen. Ich wollte Hotels konzipieren, die nicht als touristischer Fremdkörper agieren, sondern in das kulturelle Leben der Stadt eingebunden sind. Eine weitere Sache, auf die ich immer besonderen Wert gelegt habe und es immer noch tue, ist die Diversität der Hotels und Outlets. Für mich ist es besonders wichtig, dass die Häuser sich alle voneinander unterscheiden und ihren eigenen Charakter ausdrücken. Aus diesem Grund wurde auch jedes der Amano-Häuser von unterschiedlichen InnenarchitektInnen entworfen.
FACES: Wonach suchen Sie, wenn Sie in einer neuen Stadt ein neues Hotel Ihrer Gruppe eröffnen wollen?
Ariel Schiff: Seit Beginn an stehen unsere Hotels für eine Top-Lage in den jeweiligen Städten. Daher ist uns die Location besonders wichtig; das Hotel muss zentral gelegen und gut erreichbar sein. Ein Airport-Hotel passt zum Beispiel nicht zu unserem Konzept. Wir waren das erste Hotel in Berlin mit einer Dachterrasse, mittlerweile betreiben wir in der deutschen Hauptstadt vier und eines in London.
FACES: Es gibt so viele Hotels, und gerade in Großstädten ist die Konkurrenz riesig. Was machen Sie anders als andere Hotels?
Ariel Schiff: Alle Häuser folgen einer einheitlichen Philosophie: erstklassiges, urbanes Wohnen in zentraler Lage zu einem fairen Preis. Dazu eine Interior-Design-Ausstattung und Serviceangebote, die weit über den üblichen Standard hinausgehen. Zudem ist mir die Diversität der Hotels und Outlets besonders wichtig. Alle Häuser sollen sich voneinander unterscheiden und ihren eigenen Charakter ausdrücken.
FACES: Wie behaupten sich Hotels einer Gruppe wie Amano heutzutage neben Airbnb und sehr individuellen Übernachtungsmöglichkeiten?
Ariel Schiff: Ich denke, dass wir mit unserem Konzept bereits individuelles Reisen anbieten und durch unsere Restaurants und Bars unverwechselbare Erlebnisse verkaufen.
FACES: Wie soll man sich als Gast in einem Hotel fühlen?
Ariel Schiff: Das Wichtigste ist, dass sich der Gast willkommen und verstanden fühlt. Dies beginnt direkt bei Anreise, wo die Kunst darin liegt, die Stimmung des Gastes zu verstehen und ihn abzuholen.
FACES: Wer übernachtet in den Hotels von Amano?
Ariel Schiff: Das ist abhängig von Jahreszeit, Wochentag und Veranstaltungsmonaten ganz unterschiedlich. Ich würde unsere Gäste als einen Mix aus Business und Leisure aus der ganzen Welt beschreiben.
FACES: Was ist Ihr liebster Ort in Ihren Hotels und weshalb?
Ariel Schiff: Ich bin privat wie beruflich ein Fan der außergewöhnlichen Kulinarik. Daher gehe ich mit meinen FreundInnen gerne in unseren Restaurants essen und genieße neben den verschiedenen Küchenstilen auch die pulsierende Atmosphäre, wie zum Beispiel im Restaurant Mani, das seit seiner Eröffnung schnell zur Top-Adresse für LiebhaberInnen mit Fernweh und Feierlaune geworden ist.
FACES: Wie wiegen sich strategisches Denken und wahre Gastfreundschaft im Beruf des Hoteliers auf?
Ariel Schiff: Natürlich steht die Gastfreundschaft zunächst im Vordergrund. Nichtsdestotrotz, denn wir möchten natürlich auch wirtschaftlich performen, muss man stets strategische Entscheidungen treffen. Ein Beispiel dafür ist die diesjährige Mehrwertsteuererhöhung: Aus Gründen der Gastfreundschaft haben wir uns entschieden, keine Preise zu erhöhen. Strategisch haben wir schon Monate davor Menükarten angepasst und unterschiedlich kalkuliert, damit uns die Erhöhung nicht auf die Füße fällt.
FACES: Was ist das Spannende an Ihrem Beruf, und was nervt Sie daran?
Ariel Schiff: Spannend ist, dass es kein statisches Geschäft ist, sondern man sich jeden Tag neuen Herausforderungen stellen und kreativ sein muss. Natürlich gibt es täglich Dinge, die nicht perfekt laufen, aber wenn es mich wirklich nerven würde, würde ich nicht weiter expandieren.
FACES: Was überrascht Sie an der Branche?
Ariel Schiff: Als ich das erste Hotel eröffnete, war mir die Dynamik der Veränderungen nicht bewusst – sowohl im technischen als auch im Lifestyle-Bereich.
FACES: Welche Fehler begeht die Hotellerie-Branche?
Ariel Schiff: Manchmal reagiert die Hotellerie-Branche nicht schnell genug auf globale Veränderungen und wird dann zu schnell weinerlich.
FACES: Wie begegnen Sie dem Fachkräftemangel?
Ariel Schiff: Wir arbeiten stetig an neuen Benefits für bestehende und potenzielle neue MitarbeiterInnen. Daher habe ich mit meinem Team gezielt auch nach der Pandemie ein neues, arbeiternehmerInnen-freundliches Konzept erarbeitet. Nicht nur, um die Mitarbeitenden zu halten, sondern auch, um neues Personal zu finden und für die Hotellerie begeistern zu können: die „Amano Cares for you“-Benefits. Einmal Teil des Teams können wir weiter punkten und zwar mit flachen Hierarchien und einem gemeinschaftlichen Miteinander, wo Spaß im Vordergrund steht.
FACES: Wie wichtig sind Sterne für Sie?
Ariel Schiff: Eine Sterneklassifizierung ist für mich nicht sehr wichtig. Die Klassifizierung hatte früher große Relevanz, heute verwischt diese allerdings, da Standards nicht mehr so eindeutig zu messen sind.
FACES: Wie haben Sie es geschafft, dass Ihre Hotelbars zu Hotspots der Stadt wurden?
Ariel Schiff: Seit die Amano-Bar, als erste Flagship-Bar der Amano Group, vor 15 Jahren eröffnete, ist sie schnell zur besten Hotelbar des Landes gewählt worden. Nicht nur durch Drinks, die sich durch Kreativität, Know-how und Leichtigkeit auszeichnen, sondern auch, weil vor allem BerlinerInnen Gäste der Bar sind.
FACES: Welche Zukunftsideen haben Sie für Amano?
Ariel Schiff: Zurzeit sehe ich erst einmal die Konsolidierung, danach spricht allerdings nichts gegen eine weitere Expansion. Neue Ideen kommen mit neuer Expansion. Ganz sicher werden die neuen Hotels nicht mit den jetzigen zu vergleichen sein.
FACES: Lange Arbeitszeiten, schlechtes Gehalt: Wie überzeugen Sie junge Menschen davon, in die Hotellerie einzusteigen?
Ariel Schiff: Die Amano Group feiert in diesem Jahr ihren 15. Geburtstag. Im August 2009 eröffnet, mit 30 MitarbeiterInnen, ist das Team mittlerweile auf 550 gestiegen. Es ist richtig, dass gerade die jüngere Generation andere Zukunftspläne hegt als eine Karriere in der Hotellerie. Daher ist es umso wichtiger, auch die Vorzüge am Arbeiten in dieser Branche darzustellen.
FACES: Im Amano trifft man sich im Sommer ganz oben auf der Terrasse. Wie beschreiben Sie den Zauber von Dachterrassen?
Ariel Schiff: Der Zauber entsteht durch Musik, Essen und den Lifestyle, den wir bieten. Dadurch entsteht eine besondere Atmosphäre, und wir erhoffen uns damit, uns von anderen Sommer-Locations abzuheben.
FACES: Ihre Eltern haben in Spanien einen Nachtclub betrieben. Welchen Tipp, den sie Ihnen mit auf den Weg gegeben haben, befolgen Sie, und welchen haben Sie in den Wind geschlagen und weshalb?
Ariel Schiff: Tatsächlich hatte ich aufgrund meiner Kindheit schon immer eine große Leidenschaft für die Gastronomie. Ich bin in Marbella aufgewachsen. Meine Eltern haben dort gemeinsam einen Nachtclub geführt, weshalb auch ich einen Großteil meiner Kindheit im „Metro“ verbracht habe – so hieß der Club. Mein Vater hat mir die Passion für das Gewerbe mit in die Wiege gelegt. Einmal leidenschaftlicher Gastronom, ist es wichtig, die Gäste stets mit neuen Ideen und innovativen Konzepten zu begeistern. Man kann sich nicht jahrelang auf das gleiche Angebot verlassen, um erfolgreich zu bleiben. In den Wind geschlagen habe ich tatsächlich nichts.
FACES: Lust am Genuss ist einer Ihrer Claims. Was genießen Sie in Ihrem Leben am meisten?
Ariel Schiff: Am meisten genieße ich die Zeit mit meiner Familie. So oft es geht, versuche ich, mit meiner Frau und meinen vier Kindern in meine Heimatstadt zu reisen und ihnen nicht nur meine Heimat, sondern auch das spanische Lebensgefühl zu verinnerlichen.
FACES: Worauf achten Sie, wenn Sie selbst im Hotel übernachten?
Ariel Schiff: Wenn ich selbst in einem Hotel außerhalb der Amano Group schlafe, ist mir weniger die Ausstattung wichtig, also die Hospitality, die mir entgegengebracht wird. Viel beeindruckender ist das Personal als die Ausstattung eines Hotels.
FACES: Was ist Ihnen an einem Hotelzimmer am wichtigsten?
Ariel Schiff: Das Zimmer ist tatsächlich sekundär für mich; ich möchte ein Hotel, das zentral gelegen ist und in dem ich mich insgesamt wohlfühle.
FACES: Welches Ziel steht ganz oben auf Ihrer eigenen Bucket List und weshalb?
Ariel Schiff: Ein bestimmtes, privates Reiseziel steht nicht auf meiner Bucket List. Allerdings ist mein Traum, ein Hotel Amano in Malaga zu eröffnen. Nicht nur wegen meiner Kindheit in Marbella, sondern auch, weil Malaga als eine der sich am meisten entwickelnden Städte gilt.
FACES: Was nehmen Sie auf Reisen immer mit, und was lassen Sie bewusst zuhause?
Ariel Schiff: Tatsächlich muss ich sagen, dass ich meist zu viel Gepäck habe, vielleicht sogar mehr als meine Frau. Daher würde ich sagen, dass ich fast alles mitnehme, was geht. Bewusst zuhause lassen würde ich deshalb tatsächlich nichts.
FACES: Welche Ihrer eigenen Reisegeschichte müssen Sie uns unbedingt erzählen?
Ariel Schiff: Ich erinnere mich an eine meiner Reisen nach Kenia mit einem meiner besten Freunde. Wir hatten uns zum Wakeboarding auf einem Fluss verabredet, mit einem gemieteten Boot, und uns den ganzen Tag gewundert und auch selbst gefeiert, dass niemand anderes diesen speziellen Ort ausfindig gemacht hat. Am Abend wurde uns dann klar, warum wir alleine waren: Der Fluss galt als Lebensraum von Krokodilen als Sperrgebiet.
Ariel Schiff: Amano
Gastfreundschaft fließt durch Ariel Schiffs Adern. Die Eltern stellten mit ihrem Nachtclub auf dem spanischen Eiland die Weichen, über die Schiff mit voller Wucht donnert, als er nach dem BWL-Studium und einem Abstecher in die Immobilienbranche zwei insolvente Hotels in Berlin übernimmt. 2009 gründet er die Amano Group, zu der heute zwölf Boutique-Hotels in den wichtigsten deutschen Städten sowie in London gehören.
amanogroup.com
Fotos: © Ben Fuchs
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